Telepolis-Interview

Für Telepolis hat Marcus Klöckner mit Mathias Bröckers über die Neuausgabe von „Wir sind immer die Guten“ gesprochen“   :

Herr Bröckers, Ihr Buch kam 2014 auf den Markt. Wenn Sie nun zurückblicken: Sehen Sie sich in Ihrer Arbeit bestätigt?

Mathias Bröckers: Der Titel für die Neuausgabe des Buchs lautet „Wir sind immer die Guten“ – und das sind „wir“, der Westen, ja tatsächlich immer. Egal wie schief, wie falsch, wie katastrophal unsere Kriege und Interventionen auf der Welt laufen. Der Anlass für das Buch war der gewaltsame regime chance in der Ukraine und die damit einhergehende Dämonisierung Russlands und Putins, sowie die Tatsache, dass dieser Putsch von den Medien durch die Bank als „demokratische“ Revolution und Erneuerung verkauft wurde. Dass eigentlich nur ein eher russlandfreundlicher Oligarch an der Spitze durch einen nato-freundlichen Milliardär ausgetauscht und rechtsextreme, faschistoide Gruppen in Regierungs- und Machtpositionen gehievt wurden, kam und kommt in den Berichten hierzulande kaum vor. Tatsächlich ist die Ukraine heute dann auch eher auf dem Weg zu einem failed state als zu einem freiheitlichen Rechtsstaat und insofern kann man unsere Einschätzungen von 2014 durchaus bestätigt sehen.  

Im März gibt es dann ja Wahlen in der Ukraine.

Mathias Bröckers: Besser wird die Situation in dem Land dadurch aber nicht. Laut Umfragen hat Oligarch Poroschenko noch 15 Prozent Zustimmung und mit der knapp vor ihm liegenden Julia Timoschenko, der ehemaligen Regierungschefin und nach wie vor korrupten „Gasprinzessin“, ginge es vom Regen in die Traufe. Dass die besten Chancen derzeit ein Komiker hat, Wolodimir Selensky, der im Fernsehen einen guten Präsidenten spielt, illustriert das politische Theater in Kiew schon ziemlich gut.   Wer sollte Ihrer Meinung nach denn in der Ukraine Präsident werden?

Mathias Bröckers: Einer, der den Bürgerkrieg im Land beendet. Dieser ist aber nicht in Sicht. Realistisch betrachtet: Solange die Geldströme von USA, Nato und EU fließen, um die Ukraine zum Frontstaat gegen Russland aufzubauen, solange wird jede Regierung des nahezu bankrotten Lands die Aggression gegen Russen bzw. das Bild eines aggressiven Russland nach Kräften weiter schüren.  

Fassen Sie bitte zusammen: Was haben Sie in den Jahren nach Erscheinen Ihres Buches in Sachen Russland beobachtet?

Mathias Bröckers: Mit dem Betriebsunfall in den USA – der Wahl von Donald Trump – hat das Narrativ vom bösen Russland und dem ultrabösen Putin neue und geradezu groteske Dimensionen angenommen. Dass „russische Hacker“ die Wahlen manipuliert und mit Trump eine „Marionette Putins“, so Hillary Clinton, ins Weiße Haus gebracht hätten – diese Story wird seit nunmehr zwei Jahren in den US-Medien und auch bei uns rauf und runtererzählt. Auch wenn trotz mittlerweile zweijähriger Untersuchung durch einen Sonderermittler keinerlei Beweise für solche Manipulationen oder irgendwelche Absprachen zwischen Trump und Putin vorliegen, kann die unterlegene demokratische Partei im Verein mit den US-Leitmedien von dieser stumpfen Speerspitze gegen Trump nicht ablassen. Der Schock über den unerwarteten Wahlsieg dieses irren Außenseiters sitzt offenbar so tief, dass eigenes Versagen als Ursache nicht zumutbar ist und ein Sündenbock – Putin! – gebraucht wird, dem man die Schuld zuschieben kann.  

Sie nehmen die „Russiagate“-Story nicht ernst?

Mathias Bröckers: Wäre das Ganze nicht gefährlicher Ernst, könnte man über die ganze Geschichte nur lachen. Doch was hier geschieht, ist fatal: Um einen gewählten Präsidenten zu vertreiben, wird die demokratische Gewaltenteilung aufgehoben: Geheimdienste (CIA, NSA, MI6), Polizei (FBI) und Medien arbeiten Hand in Hand gegen einen gewählten Präsidenten, und vom Horrorclown Trump nachhaltig geschockte Demokraten, Liberale, Linke feuern diese totalitären Methoden sogar noch an. Dass es sich bei den Vorwürfen um eine lupenreine Verschwörungstheorie ohne konkreten Beweis handelt, scheint niemanden zu stören. Deshalb haben wir über „Russiagate“ für die Neuausgabe ein zusätzliches Kapitel geschrieben.   Weiter geht’s hier

Medien im Kriegsmodus

Fünf Jahre nach dem gewaltsamen Umsturz in der Ukraine und unserem Buch „Wir sind die Guten“ fragte Marcus Klöckner im Interview für die Nachdenkseiten vor allem nach der Rolle der Medien gefragt. Und über die Unterschiede, ob Journalisten von „oppositionellen Ukrainern“ oder feindlichen „Pro-Russen“ sprechen. Die aktualisierte und erweiterte Neuausgabe des Buchs – Wir sind immer die Guten – ist seit heute überall im Handel:

Herr Bröckers, der Konflikt zwischen dem Westen und Russland hat sich seit Beginn der Ukraine-Krise zugespitzt. Was ist Ihre Beobachtung: Welche Rolle spielen dabei die Medien?

Die un-journalistische und unheilvolle Einseitigkeit der Großmedien in diesem Konflikt war ja der ursprüngliche Auslöser für dieses Buch. Repräsentative Umfragen zeigten schon im Sommer 2014, dass sich mehr als zwei Drittel der Bevölkerung in Sachen Ukraine einseitig oder schlecht informiert fühlten. Und das lag nicht daran, dass sie irgendwelchen „Feindsendern“ gelauscht oder ominösen „russischen Trollen“ auf den Leim gegangen waren, sie hatten vielmehr ARD, ZDF und unsere sogenannte „Qualitätspresse“ konsumiert. Ihre Verunsicherung war ihnen nicht im Rahmen „hybrider Kriegsführung“ vom Kreml eingepflanzt worden, sie durchschauten vielmehr den Schwarz-Weiß-Film vom guten Westen und bösen Russen, der ihnen von „Tagesschau“ und „heute journal“ als Realität angeboten wurde, als plumpe Inszenierung. Der Permanenz und Penetranz, mit dem die Parole „Wir sind die Guten“ verbreitet wurde, verdankte unser Buch dann auch seinen Titel – und weil es damit in den vergangenen fünf Jahren nicht aufgehört hat, heißt die erweiterte Neuausgabe jetzt „Wir sind immer die Guten“. Mittlerweile ist Putin ja an allem schuld. Vom Wahlsieg Donald Trumps bis zum Wetter. Als vor kurzem in einigen Regionen der USA sehr niedrige Temperaturgrade gemessen wurden, kommentierte die bekannte Sprecherin Rachel Meadows die Wetterkarte auf MSNBC mit den Worten „Und jetzt stellen sie sich vor: die Russen könnten unser Stromnetz angreifen!“ In den Vereinigten Staaten herrscht mittlerweile eine von den Medien geschürte Hysterie, die fatal an die McCarthy-Ära erinnert, als man unter jedem Bett Kommunisten fürchtete. Und bei uns ist es nicht viel besser – gerade insinuierte etwa Angela Merkel auf der Sicherheitskonferenz im Zusammenhang mit Russland, dass der Klimastreik von Schülern ein Produkt “hybrider Kriegsführung” sei.

Lassen Sie uns die Rolle der Medien genauer analysieren. Gehen wir an den Anfang des Konfliktes. Was fällt Ihnen dabei auf?

Vom Beginn der Maidan-Proteste an waren die westlichen Medien Partei und betrieben statt neutraler Berichterstattung Kampagnenjournalismus. Mit dem gewaltsamen Regierungswechsel in Kiew schalteten sie dann komplett in den Kriegsmodus. Die „Tagesschau“ berichtete zum Beispiel damals, dass russische Truppen in der Ost-Ukraine einmarschiert seien und zeigte dazu Bilder und Filmaufnahmen von Panzerkolonnen. Ein solcher Einmarsch hatte aber gar nicht stattgefunden und die Panzeraufnahmen stammten aus dem Archiv. Als ich den „Tagesschau“-Chef Gniffke bei einer Radiodiskussion darauf ansprach, gab er die falschen Bilder zwar zu, wiegelte aber ab, dass solche Fehler in der Eile der Berichterstattung ja mal vorkommen könnten. Es handelte sich dabei aber keineswegs um Schlamperei, sondern kam mehrfach an verschiedenen Tagen und mit verschiedenen Bildern vor, es hatte System. Das ließ sich dann auch an den Begriffen, dem „Wording“ erkennen, das dann überall Anwendung fand.

Kurz: Was ist Wording?

Die Besetzung bestimmter Begriffe, mit dem die Konfliktparteien bezeichnet werden. Es macht ja einen Unterschied, ob etwa ein Regierungschef „Präsident“ oder „Machthaber“ genannt oder ob von „Terroristen“ oder von „Freiheitskämpfern“ berichtet wird, ob eine gewählte „Regierung“ gestürzt wird oder ein abscheuliches „Regime“. Mit diesen Begriffen werden subtile Botschaften transportiert, die weniger an den rationalen, sondern an den emotionalen Verstand des Publikums gerichtet sind. Einen „Terroristen“ findet niemand gut und wenn solche – wie unlängst im Syrienkrieg die von Saudi-Arabien finanzierten Al-Qaida-Söldner – an unserer Seite kämpfen und jetzt zu den Guten gehören, obwohl sie vor kurzem noch die ganz Bösen waren, braucht es schnell ein neues Wording. Das waren in diesem Fall dann die „moderaten Rebellen“.

Das gesamte Interview hier.

Coming soon: “Wir sind immer die Guten”

WSIDG-coverDas Cover ist schon da, mit unverändertem Bildmotiv, denn der Adler und der Bär liegen ja nach wie vor und ärger denn je im geopolitischen Clinch. Den Titel des Buchs haben wir mit einem kleinen “immer” erweitert, denn egal was wir – die westliche “Wertegemeinschaft” – in der Welt veranstalten, egal wieviel Bomben wir werfen, wieviel pseudo-demokratische “regime changes” wir mit Gewalt durchziehen, wieviel Leichen, Leid und Flüchtlinge wir produzieren, wegen unserer “Werte” können wir einfach gar nicht anders als immer die Guten zu sein. Auch wenn fünf Jahre nach dem pseudo-demokratischen Putsch in der Ukraine das Land mit seiner im Krieg liegenden Bevölkerung so übel zugerichtet ist wie kaum je zuvor.
Im Herbst 2014 war “Wir sind die Guten” eines der meistverkauften Sachbücher in Deutschland und erlebte in kurzer Zeit 10. Auflagen. Dass auch danach das Interesse nicht abriss, zeigen unter anderem die 222 Kundenrezensionen , die bis heute beim Großversender Amazon eingegangen sind. Die Gründe für diese dauerhafte Nachfrage liegen auf der Hand: die Konflikte zwischen dem Westen und Russland haben sich weiter verschärft und die Manipulationen der Medien, die wir am Beispiel des Ukraine-Konflikts aufzeigen, haben nicht ab- sondern zugenommen. Gründe genug also für eine erweiterte Neuausgabe: mit zwei zusätzlichen Kapiteln über “Nowitschok” und über “Russiagate” und Aktualisierungen und Ergänzungen zu den Maidan-Scharfschützen, der MH-17-Untersuchung und mehr…
Heute haben Paul Schreyer und ich das Manuskript der Neuausgabe an den Verlag geschickt, im Handel erhältlich ist das Buch dann Anfang Februar, Vorbestellungen werden hier entgegengenommen.

«Мы хорошие»

Die russische Ausgabe von „Wir sind die Guten“ ist  im Rosspen-Verlag, Moskau erschienen:
«Мы хорошие».Точка зрения человека,понимающего Путина,или Как средства массовой информации манип… (ISBN: 978-5-906594-09-9)

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„Wir sind die Guten“ als Taschenbuch

Der Piper-Verlag veröffentlicht „Wir sind die Guten“ im Januar 2016 als preiswertere Taschenbuchausgabe, näheres dazu hier. Für diese Neuausgabe haben wir ein aktuelles Vorwort verfasst, das die öffentlichen (Nicht-)Reaktionen auf unser Buch aufgreift, sowie auch den kontrovers diskutierten Untersuchungsbericht zum Absturz von Flug MH17, der im vergangenen Herbst von den holländischen Ermittlern veröffentlicht wurde. Einige Auszüge aus diesem Vorwort sind hier nachzulesen. Die Autoren möchten sich hiermit noch einmal bei allen Lesern herzlich bedanken, die das Buch durch ihr großes Interesse zu einem solchen Erfolg gemacht haben.

Von lümmelnden Senatoren und anderen Schlampigkeiten

Die Rezensentin Elisabeth Binder widmet unserem Buch aktuell einen flott geschriebenen Verriss. „Wir sind die Guten“ sei „ein journalistisches Projekt, das an seinem Ehrgeiz scheitert“. Zwar lese es sich „sehr flüssig und kurzweilig“, doch das wiege die Fehler nicht auf. So wird bemängelt, das Buch enthalte „relativ wenig Hintergrundmaterial“ und insbesondere zu wenige Fußnoten, mit deren Hilfe der Leser sich tiefer mit der komplexen Materie vertraut machen könne. Nun haben die Autoren diesbezüglich noch einmal den Anhang ihres Werkes studiert und finden dort auf 10 Seiten ausgebreitet insgesamt 127 Verweise auf weiterführende Literatur und verwendete Quellen – für die Rezensentin offenbar bei weitem nicht genug Lesestoff.

Zum Inhalt heißt es, dass zwar unsere Medienkritik berechtigt sei, aber, großer Minuspunkt an die Autoren: „Allerdings verlassen sie sich auch hier hauptsächlich auf die Forschungsergebnisse anderer als auf eigene Recherchen.“ Das ist natürlich ein großer Makel. Wo kämen wir denn da hin, wenn Journalisten bei Ihrer Medienkritik vor allem die Forschungsergebnisse von anderen Medienwissenschaftlern zitieren – und nicht erst einmal selbst Jahre lang forschen? Wahrlich skandalös.

Aufgefallen ist der Rezensentin auch, dass bei den Leserkommentaren auf unserem Blog „kein einziger negativer Kommentar“ zu finden sei, was ihr Misstrauen weckt. „Kann das Zufall sein?“, so fragt sie raunend. Natürlich, diese verdächtigen Putinversteher sind wohl eben doch Agenten Moskaus, die üble Zensur auf ihrem privaten Blog ausüben … Dass von den mittlerweile 150 Leserrezensionen bei Amazon gut 80 Prozent fünf Sterne vergeben haben, ist in dieser Sichtweise wahrscheinlich nur ein weiterer Beleg für Manipulationen …

Zur inhaltlichen Ausrichtung des Buches meint die Rezensentin hellsichtig: „Insgesamt scheint es in vielen der Thesen eine gewisse inhaltliche Nähe und Überlappung zum Gesamtwerk des US-Journalisten William Engdahl zu geben, der aber nur an genau einer Stelle erwähnt wird.“ Oh ha, verschweigen da etwa die Journalisten ihren geheimen Einflüsterer? Nun ist Engdahl sicherlich einer der bekannteren Kritiker neoimperialer (US-)Politik, doch tauchen in den erwähnten 127 Fußnoten auch noch Dutzende weiterer Autoren auf, deren Überlegungen uns erwähnenswert schienen.

Die Rezensentin weiter: „Sehr ärgerlich ist, wie die Autoren an einigen Stellen schlampig-tendenziös formulieren, wenn die Argumente etwas zu dünn geraten. Da ‚lümmeln‘ Senatoren ‚entspannt in hohen Ledersesseln‘ (S. 97), wenn es darum geht die Stimmung im Auswärtigen Ausschuss des US Senats zu beschrieben. An anderer Stelle wird mit unfachmännischem Psychologisieren das Verhalten von einigen US Politikern und Politikberatern zu erklären versucht.“

Na gut, der Kritikpunkt Majestätsbeleidigung sei akzeptiert. Das entspannte Sitzen amerikanischer Millionäre im US-Senat als „Lümmeln“ zu bezeichnen, ziemt sich wirklich nicht für den braven Untertan. Und „unfachmännisches Psychologisieren“ ist natürlich auch nicht in Ordnung, zumal von Autoren, die nicht einmal einen medizinischen Abschluss haben …

Die Grundidee unseres Buches, so die Rezensentin, sei im Übrigen „schnell erzählt“:

Die USA mit ihrem deklarierten Willen zur „full spectrum dominance“ (eine real existierende, aber von Experten als ebenso unrealistisch eingeschätzte, US-Militärdoktrin, ähnlich wie anno dazumal SDI), also zur Unterwerfung der Welt unter ihre militärisch-politisch-wirtschaftliche Kuratel, provozieren eine Destabilisierung der Ukraine als Mittel zum Zweck, um das rohstoffreiche Russland, das unter der starken Hand Putins aus dem Würgegriff der Oligarchen befreit wurde, unter Druck zu setzen und unter den Einfluss der eigenen Machtsphäre zu bringen, um an billige Rohstoffe zu gelangen. Und, wie der Untertitel des Buches andeutet: Die Medien spielen (zu) eifrig mit.

Das ist eigentlich ganz gut zusammengefasst, wie wir finden. Nur der Einschub, die Strategie der Full Spectrum Dominance sei zwar „real existierend, aber von Experten als ebenso unrealistisch eingeschätzt“ – die teilen wir nicht. Ganz im Gegenteil, diese Strategie, so befremdlich sie erscheinen mag, wird aktiv und mit großer Verve verfolgt.

Gerne hätten wir uns mit der Rezensentin Elisabeth Binder näher darüber ausgetauscht, doch eine Anfrage nach den Kontaktdaten bei dem Online-Magazin, dass ihren Text veröffentlichte ergab nur die bedauerliche Auskunft, Frau Binder habe die Herausgeber nach Rücksprache gebeten, „ihre E-Mail Adresse nicht weiterzugeben, sondern vertraulich zu behandeln“. Offenbar scheut die Rezensentin einen offenen Austausch der Argumente. Schade.

„Mangelnde Kenntnisse“ oder unbequeme Fakten?

Ganz in der Tradition der Verrisse unseres Buches von FAZ und Tomasz Konicz hat sich nun ein weiterer polnischer Autor zu Wort gemeldet. Thomas Dudek geht es in seiner kürzlich erschienenen Kritik mit der Überschrift „Ihr seid nicht besser!“ vor allem darum, vermeintlich „mangelnde Kenntnisse“ der Buchautoren aufs Korn zu nehmen. Wir hätten einfach von ukrainischer Geschichte keine Ahnung und würden daher zu ganz falschen Schlussfolgerungen kommen.

Zwischen den Zeilen wird deutlich, dass dem Kritiker vor allem die amerikakritische Stoßrichtung des Buches nicht gefällt. Er möchte stattdessen viel eher die Sowjetunion bzw. Russland kritisiert sehen. Diese Sichtweise ist natürlich legitim – der kritische Blick vieler Polen auf Russland erscheint historisch gesehen mehr als verständlich. Unangenehm am erwähnten Verriss ist allerdings, dass er stark auf Unterstellungen und, mehr noch, auf verfälschendes Zitieren aus unserem Buch setzt.

Darüber hinaus fällt Thomas Dudek, wie vor ihm schon Tomasz Konicz, in seiner Rezeption unseres ersten Buchkapitels durch einen ausgeschalteten Ironiedetektor auf. Er nimmt die satirisch überspitzte „Putinverehrung“ auf der ersten Seite für den eigentlichen Kern des Buches. Dazu hatten wir bereits Herrn Konicz erwidert, dass die Ironie am Anfang unseres Buches natürlich eine Provokation der „Putin-Basher“ ist, in dem sie genau das artikuliert, was diese nicht hören wollen und zugleich ihren Gegnern unterstellen: eine hemmungslos unkritische Putin-Verehrung.

Dass wir dieser aber eben gerade nicht anhängen, zeigen unter anderem mehrere Passagen der Einleitung, die sämtliche polnischen (und anderen) Kritiker bislang konsequent überlesen. So benennen wir den Kult um Putin in russischen Medien als eine “selbstreferentielle Herrscherinszenierung” (S. 11), erwähnen auch, dass er “den demokratischen Pluralismus einschränkte” und “das Parlament entmündigte” (S. 13), die “Demokratie in eine ‘Demokratur’ verbog”, “dass er Meinungs- und Pressefreiheit einschränkte”, und “nicht nur das Parlament, sondern auch die Justiz durch eine Machtvertikale von oben” lenkt (ebenfalls S. 13).

An dieser Stelle dürften die Grenzen unserer “Verehrung” oder unseres „Schwärmens“ eigentlich hinreichend klar geworden sein. Befragt zu seiner Kritik teilt Dudek uns nun jedoch mit, dass wir zwar tatsächlich einige Defizite des heutigen Russlands erwähnten, doch, so der Autor:

„dies ist meiner Meinung nach nichts anderes als ein Kunstgriff, eine publizistische Schutzmauer, um sich vor Kritik der Putinbegeisterung zu schützen“.

So etwas nennt man dann wohl ein hermetisch abgeschlossenes Feindbild. Alles was bei der Argumentation des Gegners nicht in die eigene Sichtweise passt, kann nur als dessen cleverer „Kunstgriff“ zur Verwirrung der Anderen gewertet werden … Dass Autoren eines Buches zu einem komplexen politischen Thema womöglich einfach zu differenzierendem Denken in der Lage sind, und demzufolge auch an der Politik Putins Positives UND Negatives entdecken können – für wahr, welch Überraschung!

Weiterhin unterstellt der Rezensent, dass wir der Ukraine „kein Recht auf Eigenstaatlichkeit“ zubilligen würden. Das ist absurd. Was wir in unserem Buch allerdings zeigen, sind die ernormen ideologischen Widersprüche zwischen den Bevölkerungsteilen im Osten und im Westen des Landes, welche die Bildung eines einheitlichen nationalen Narrativs bislang eben enorm erschwerten. Das ist keine Wertung unsererseits sondern ein schlichtes Faktum. Auch wenn der Sprachenstreit zwischen Anhängern des Russischen und des Ukrainischen, darauf weist Dudek zu Recht hin, mehr politisch instrumentalisiert wird, als eine relevante Ursache des Konfliktes zu sein.

Weiter heißt es in der Kritik, es entstehe beim Lesen des Buches der Eindruck, „als ob die Ukrainer einfach nur schon von Kindesbeinen an Faschisten sind. Oder wie es Bröckers und Schreyer schreiben: ‚ein weitgehend ungebrochenes historisches Verhältnis zu Hitlers Faschismus‘ haben.“

Hier zitiert der Kollege nun bewusst verfälschend. Denn das Originalzitat spricht eben nicht von „den“ Ukrainern, sondern stellt stattdessen die sich verfeindeten Fraktionen im Land einander gegenüber (Seite 33-34):

„Wie aus dieser Dichotomie eine gemeinsame Erzählung der Ukraine als Nation werden kann, wie die ukrainischen Patrioten ihr weitgehend ungebrochenes historisches Verhältnis zu Hitlers Faschismus auf der einen und Stalins Kommunismus auf der anderen Seite aufarbeiten und zu einem gemeinsamen nationalhistorischen Haus zusammenfügen sollen, scheint ein kaum lösbares Dilemma.“

Diese Differenzierung fällt im Zitat des Kritikers aber einfach unter den Tisch. Zum Schluss seines Textes zitiert er dann ein weiteres Mal verfälschend:

„Ansonsten muss man befürchten, dass die beiden Autoren, wenn es um die Nationen in Ostmitteleuropa geht, chauvinistischer sind als die in ihrem Buch mit der NPD verglichene ukrainische Regierung.“

Doch die entsprechende Passage in unserem Buch spielt lediglich ein vergleichendes Gedankenspiel durch, in dem es heißt (Seite 24):

„Nehmen wir einmal folgendes Szenario an: In Deutschland findet ein von einer äußeren Macht geförderter Putsch statt, bei dem die demokratisch gewählte Regierung mit Waffengewalt abgesetzt und durch ein Regime ersetzt wird, in dem die NPD und ihre bewaffneten Kameradschaften einen bedeutenden Einfluss haben.“

Wir haben also nicht die ukrainische Regierung „mit der NPD verglichen“, wie Dudek behauptet, sondern wir haben eine hypothetische Situation beschrieben, in der in Deutschland „die NPD und ihre bewaffneten Kameradschaften einen bedeutenden Einfluss haben“.

Wiederum: Die Differenzierung fällt einfach unter den Tisch. Darauf angesprochen teilt uns der Kritiker nun mit:

„Sorry, aber für mich ist das jetzt nur Scheinheiligkeit. So wie im Einleitungskapitel mit der Aufzählung der Missstände in Russland, oder so wie im Teil über die ukrainische Sprache, wo sie sich hinter Bulgakow verstecken, errichten Sie sich ein Phantasie-Szenario als Schutzmauer, hinter der sie sich erneut verdecken und rufen: aber das ist doch gar nicht so gemeint.“

Irrtum, Herr Kollege! Was wir schreiben ist schon so gemeint, man muss es allerdings genau lesen und eben nicht eigene Anschauungen hineinlesen. Konkret: Bei der in der Ukraine im Februar 2014 an die Macht gelangten Regierung haben militante Rechtsextreme tatsächlich einen „bedeutenden Einfluss“. Das kann man ja nun kaum seriös bestreiten.

Dudek aber fragt:

„Warum entspricht dieses Gedankenspiel der Darstellung vieler ktitischer Autoren über den Maidan, als man ständig an die Verbindungen der Swoboda zu der NPD erinnerte sowie die Rolle des Rechten Sektors?“

Diese Frage transportiert nun eine Arglosigkeit, die angesichts des realen Einflusses militanter rechter Kreise auf die Politik in der Ukraine und im Besonderen auch auf den Maidan, viel über die blinden Flecken im Weltbild manchen Kritikers unseres Buches aussagt. Deren Tenor ist ja immer wieder, wir würden zu einseitig die Rolle der USA im Konflikt kritisieren. Und überhaupt, so schlimm und wichtig seien die Rechten gar nicht. Doch – und diese Frage muss erlaubt sein – wie kommt es dann, dass bis heute so gravierende Massenmorde wie das Blutbad auf dem Maidan, das Massaker in Odessa oder der Abschuss von MH-17 nicht sauber aufgeklärt werden konnten, wenn es doch vermeintlich so glasklar ist, dass Putin respektive der verjagte Janukowitsch oder schlicht „die Pro-Russen“ hinter allem stecken? Und warum eigentlich ruft im medialen Mainstream niemand (auch nicht Kollege Dudek) klar und vernehmbar nach Aufklärung dieser Geschichte machenden Morde?

Immerhin gesteht der Kritiker unserem Buch aber auch Positives zu. So schreibt er uns (allerdings nicht in seinem öffentlichen Verriss):

„Ihr Buch hat ja viele richtige Aspekte. Egal ob es um die NGO’s geht oder die berechtigte Kritik an der Berichterstattung der Mainstreammedien. Doch allein mit der Rolle der EU, den Stiftungen der deutschen Parteien, lässt sich die Ukraine-Krise nicht erklären. Selbst wenn die USA, die EU oder die deutschen Parteien doppelt so viel Geld ausgegeben hätten – ohne bestimmte innenpolitische Entwicklungen, die in der Ukraine 2004 mit der Orangenen Revolution, und der Enttäuschung über das, was aus der Orangenen Revolution wurde, ins Rollen kamen, wäre der Euromaidan, bei dem Europa eigentlich höchstens nur in den ersten Tagen im Vordergrund stand, sondern eine bei allen gesellschaftlichen Schichten vorhandene Enttäuschung über die innenpolitische Situation, niemals möglich gewesen. Die Enttäuschung und die Wut der Bevölkerung über das Janukowitsch-Regime streifen sie leider aber nur kurz, um dann sich doch wieder auf die Mächte von außen zu konzentrieren. Also die aus dem Westen.“

Das ist richtig. Denn der Einfluss dieser Mächte wird weiterhin systematisch unterschätzt bzw. klein geredet. Ohne die massive Einmischung des Westens, der die reale Unzufriedenheit in der Bevölkerung eben für seine eigenen Zwecke ausnutzte, und der mit Geld, mit Stiftungen, mit lancierten Politikern etc. Fakten schuf, hätte es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Machtwechsel in der Ukraine im Februar 2014 gegeben. Dieser Umsturz war eben gerade nicht das Werk eines unabhängigen und zivilen Bürgerprotestes. Weiterhin lesenswert bleibt dazu die Analyse „Der verklärte Aufstand“ von Stefan Korinth.