Sehnsucht nach dem starken Mann?

Unser Kollege Tomasz Konicz hat sich im Magazin Telepolis kritisch mit unserem Buch auseinandergesetzt.

Sein Text basiert dabei auf einer Reihe von Unterstellungen, die aus unserer Sicht zu Fehlinterpretationen führen. Wir haben Herrn Konicz bereits persönlich darauf hingewiesen, bislang ohne weitere Reaktion seinerseits. Im Folgenden ein paar Zitate aus seiner Analyse, ergänzt jeweils um einen Kommentar von Paul Schreyer:

1. „Was hier offensichtlich durchschimmert, ist die – notdürftig durch eine halbherzige und zutiefst opportunistische Ironie kaschierte – Sehnsucht nach dem starken Mann, nach dem genialen ‚Macher‘, der durch hartes Zupacken endlich Ordnung schafft im gegenwärtig um sich greifenden Chaos.“

Kommentar: Hier „schimmert“ nichts durch – sondern die zitierte Stelle aus unserem Buch IST Ironie – ob man die nun als solche erkennen will, oder nicht.

2. „Dass der Politikbetrieb im Zeitalter der Postdemokratie weltweit zu einer bloßen Inszenierung verkommt, wird von den Autoren einfach hingenommen, ohne es auch nur zu hinterfragen.“

Kommentar: Falsch.

3. „Die Kritik der Autoren an diesem westlichen ‚Menschenrechtsimperialismus‘ verwirft somit zugleich die paar universalen Menschenrechte, die der Spätkapitalismus uns zumindest offiziell noch zugesteht.“

Kommentar: Weshalb „somit“? Wo sind die Belege?

4. „Wir wissen nun: Der deutsche Putinfan wünscht sich von der Politik vor allem gute Showeinlagen und hält Menschenrechte für eine kulturelle Marotte des ‚Westens‘.“

Kommentar: Was „wir“ nun vor allem „wissen“, ist, dass eine Aneinanderreihung von beleglosen Unterstellungen in der Summe noch kein Argument ergibt.

5. „Damit erübrigt sich die Einteilung der Akteure dieses neoimperialen ‚Great Game‘ in Gut und Böse, wie sie von den westlichen Massenmedien wie auch von den Autoren – trotz gegenteiliger Beteuerungen – in vertauschten Rollen vorgenommen wird. Eine schlichte Umkehrung der westlichen Propaganda, die aus Putin einen verschlagenen Bösewicht macht, kommt der Realität dieser neoimperialen geopolitischen Auseinandersetzung nicht näher.“

Kommentar: … weswegen Sie von den Autoren – entgegen der Unterstellung – so auch nicht vorgenommen wird. Die Kritik zielt auf einen Pappkameraden.

6. „(…) Alexander Dugin (…), der einen erzreaktionären Kulturalismus predigt und gemeinsam mit Mathias Bröckers die Menschenrechte für ‚westliche Wertvorstellungen‘ hält.“

Kommentar: Richtig wäre (bezogen nicht auf Dugin, sondern auf uns als Autoren): „(…) die Propagierung eines ‚Menschenrechtsbellizismus‘ für eine Pervertierung westlicher Wertvorstellungen hält.“

7. „Es reicht, Bröckers und Schreyers affirmative Darstellung der autoritären Maßnahmen zu lesen, mit denen Putin die Russische Föderation stabilisierte, um die Aktualität einer solchen Krisenpolitik zu begreifen: (…)“

Kommentar: Aus dem sich daran anschließenden Auszug aus unserem Buch wird aber vor allem klar, dass hier weniger „Bröckers und Schreyer“ affirmativ sind, als vor allem, Zitat, „die große Mehrheit der russischen Bevölkerung“.

8. „Da der Kapitalismus offensichtlich keine Freiheit bringt, entsorgen die Autoren den Begriff der Freiheit, die durch ’sozialen Niedergang‘ gekennzeichnet gewesen sein soll. Offensichtlich wird hier um Verständnis für eine autoritäre Krisenpolitik geworben.“

Kommentar: Nein, wird es nicht. Das ist eine freihändig konstruierte Schlussfolgerung. Etwas mehr Differenzierung wäre nett.

Fazit: Die Autoren sind gespannt, ob der Koniczsche „Spin“, uns eine „Sehnsucht nach dem starken Mann“ zu unterstellen, nun von weiteren Rezensenten aufgegriffen wird – oder ob es vielleicht doch noch zu einer ehrlicheren und produktiveren Debatte unserer Thesen kommt.

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